Maurice Obstfeld, früherer Chefökonom des IWF, fordert gesellschaftliche Mobilisierung in der Corona-Krise.

Der Ökonom Maurice Obstfeld fordert eine staatliche koordinierte Wirtschaft im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Wir befinden uns in einem Krieg und dies erfordert entsprechende Maßnahmen, befindet der Ex-Chefökonom des IWF gegenüber dem „Handelsblatt“. Die Gesellschaft als Ganzes muss mobilisiert werden, um irgendwann die Chance zu haben, zur Normalität zurückzukehren. Die Regierungen haben die Aufgabe die nationalen Ressourcen effektiv zu lenken. Dazu bedarf es entschiedener Beschränkungen der individuellen Mobilität und der sozialen Kontakte. Die Herausforderungen durch die Krankheit verändert auch unser Wirtschaften. Die knappen Ressourcen an medizinischen Intensivkapazitäten und Geräten kann nur zentral durch staatliche Instanzen koordiniert werden, betont Obstfeld. Der Ökonom vergleicht das medizinische Personal in den Kliniken mit den Soldaten im Krieg und plädiert für eine Konzentration auf die bestmögliche Ausstattung und Nutzung der Personalressourcen. Die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie werden die Einbrüche infolge der Finanzkrise von 2008 bei weitem übersteigen, prognostiziert Obstfeld. Die Gefahren für die gesamte Wirtschaftsstruktur sind aktuell tiefgreifender als vor 12 Jahren. Den Bankensektor hält der Ökonom für besser aufgestellt, aber angesichts des Umfangs der Krise trotzdem für verwundbar. Die deutschen Maßnahmen zur kurzfristigen Stützung der Wirtschaft in Form des Kurzarbeitergelds und der Soforthilfen können auch Vorbild für die staatlichen Aktionen in den USA sein. Jetzt muss Konstanz hergestellt werden. Die Unternehmen sollen möglichst funktionsfähig durch die Krise kommen und die Arbeitnehmer ihre Jobs behalten. Wenn die Krise vorbei ist und wir zur Normalität zurückkehren, sollten die Unternehmen in der Lage sein kurzfristig ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Das klappt nur, wenn auch die Belegschaft dafür vorhanden ist. Allerdings warnt der Ökonom, der an der University of California lehrt, vor einer überstürzten Aufhebung der Anti-Corona-Maßnahmen. Es ist höchst Priorität, dass der Erreger unter Kontrolle gebracht wird. Erst wenn dies erfolgreich gehandelt worden ist, ist eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität sinnvoll. Die Ausweitung der staatlichen Schulden und die Auflage von erheblichen Konjunkturprogrammen betrachtet Obstfeld als weitgehend unproblematisch. Ich befürchte, trotz der explodierten Staatsausgaben, keine Inflation, entgegnet der Ökonom entsprechenden Fragen des „Handelsblatts“. Gerade in Deutschland sei die Angst vor einer Inflation historisch bedingt erheblich, aber es gibt derzeit keine Grundlage für eine solche Angst. Eine Inflation ist aktuell unsere kleinste Sorge, befindet Obstfeld. Aktuell braucht es ein entschiedenes Vorgehen der nationalen Notenbanken, um einen Kollaps der Volkswirtschaften zu verhindern. Sie sollte ihre Möglichkeiten der Geldvermehrung als Kriseninstrument voll ausschöpfen, fordert Obstfeld im „Handelsblatt“.

Redaktion poppress.de, NeoMatrix