Thomas Krüger hat als Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung die Versuche von Kritikern zurückgewiesen, das neue Infektionsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz gleichzusetzen, mit dem die Nationalsozialisten 1933 das Parlament entmachtet hatten.
Gegenüber dem RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland) wies Krüger darauf hin, dass seine Einrichtung nur des Statements halber auf diese Kritik eingehe. Den Gegnern und Diffamierern des Infektionsschutzgesetzes mangele es nämlich nicht an der nötigen politischen Bildung, wofür die Bundeszentrale zuständig sei. Vielmehr würden diese Personen im Gegenteil gezielt versuchen, politische Prozesse zu unterminieren und den demokratischen Entscheidungsprozess zu desavouieren. Es ginge ihnen darum, ihre eigene Agenda mit vollem Bewusstsein und schädlicher politischer Intention durchzusetzen. Dennoch werde er mit seinem Team den Auftrag der politischen Bildung auch in diesem Fall wahrnehmen. Hierbei gehe es darum, die Menschen im Land zu befähigen, die Wirkmächtigkeit der Sprache zu erkennen und auch Interessen zu erkennen, die hinter falschen Analogien stecken. Letztere gelte es zu dekonstruieren.
Der BPB-Präsident erinnerte an die wirklichen Geschehnisse im Jahr 1933. Bei der damaligen Abstimmung im Reichstag zum sogenannten „Ermächtigungsgesetz“ hatte es im deutschen Parlament schon keine Vertretung der KPD mehr gegeben. Deren 84 Abgeordnete waren zuvor inhaftiert worden oder geflohen. Dasselbe Schicksal hatten schon 26 SPD-Abgeordnete erlitten. Es gab aber noch eine verkleinerte Fraktion der SPD, die trotz der heftigen Einschüchterungsversuche – die Nationalsozialisten hatten ihre SA im Plenum aufmarschieren lassen – mutig gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte. Eine Gleichseitzung der damaligen Geschehnisse mit den heutigen Debatten und Abstimmungen im Bundestag sei unverantwortlich, so Krüger. Die Oppositionsparteien seien heutzutage im deutschen Parlament vollständig anwesend und verfügten zugleich über alle Rechte von Abgeordeten.
Auch auf die völlig verschiedenen Ziele des historischen Ermächtigungsgesetzes und des gegenwärtigen Infektionsschutzgesetzes wies Krüger hin. Mit dem Ermächtigungsgesetz hatten die initiierenden Nationalsozialisten die Republik abgeschafft, wobei sie freilich von den damaligen konservativen Parteien (DNVP, Zentrum, DVP, Bauernpartei, Landbund und andere) unterstützt worden waren. Das Ziel des Infektionsschutzgesetzes hingegen, so Krüger, diene dem Schutz der Bevölkerung, der Wirtschaft und des Staates während einer Jahrhundertpandemie. Nötig sei es, um den derzeitigen Verordnungen zur Pandemiebekämpfung eine verfassungskonforme Basis zu verschaffen. Das Parlament bleibe dabei uneingeschränkt handlungsfähig. Es könne das Gesetz auch jederzeit wieder aufheben. Auch dies sei ein gravierender Unterschied zu den 1930er- und 1940-er Jahren. Damals hatte der Reichstag ab Inkrafttreten des Ermächtigungsgesetzes nur noch 19 Mal bis 1942 getagt, danach bis 1945 überhaupt nicht mehr. Er war zum Scheinparlament verkommen, das bis 1942 nur noch sieben Gesetze beschlossen hatte. Demgegenüber hatte die nationalsozialistische Reichsregierung in derselben Zeit knapp 1.000 Gesetze verfügt.
Am Mittwoch (18.11.2020) hatten mehrere Tausend Protestierende vor dem Bundestag demonstriert. Im Bundestag waren Parlamentarier von Besuchern bedrängt worden, die offenkundig die AfD eingeladen hatte. Immer wieder hatten die Demonstranten Parallelen zwischen dem Infektionsschutzgesetz und dem Ermächtigungsgesetz gezogen.
Redaktion poppress.de, A-055824
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