Frank-Walter Steinmeier sieht Corona als Ursache einer grundlegenden Verunsicherung in unserer Gesellschaft.
Die Folgen der Corona-Pandemie für die Menschen und unsere Gesellschaft sind derzeit noch kaum absehbar, warnt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gegenüber der Wochenzeitung „Die Zeit“. Verständlicherweise haben wir uns in der ersten Phase vornehmlich auf die medizinischen und virologischen Probleme der Pandemie konzentriert. Damit greifen wir aber in der Folgeabschätzung zu kurz. Die Pandemie hat die Form unseres Zusammenlebens und unsere Werte verändert. Auch der Tod hat ein neues Gesicht bekommen, er ist zum Teil einsamer geworden. Die Sicherheit, mit der wir gewohnt waren unser Leben zu organisieren, ist uns abhandengekommen. Unsere eigene Verletzlichkeit und Gefährdung sind uns deutlich zu Bewusstsein gekommen. Statt dem Gefühl, die Kontrolle über unser Leben, unseren Körper und unsere Beziehungen zu haben, sind wir aktuell mit Unsicherheit konfrontiert. Wir müssen auch unser Verhältnis zum Mitmenschen neu definieren und erkennen, dass wir nur miteinander lebensfähig sind.
Die Gesellschaft muss Formen der kollektiven Trauer entwickeln, um mit dem Phänomen des Todes durch die Pandemie zurechtzukommen. Wir müssen damit umgehen lernen, dass wir unseren Verwandten und Freunden zum Teil nicht mit unserer Anwesenheit helfen konnten und sie eines bitteren und einsamen Todes überlassen haben. Der Graben in der Gesellschaft zwischen Befürwortern und Gegnern der Corona-Maßnahmen schient unüberbrückbar. In meinem Amt ist mir eine derartige Aggression und Distanz noch nicht begegnet. Diese Gräben zu überwinden wird viel Zeit und Gespräche in Anspruch nehmen, betont der Bundespräsident.
Der Konflikt hat die Formen eines Glaubenskampfes angenommen. Es existieren hermetische Gruppen, die nichts mehr an sich heranlassen, das nicht ihren Vorstellungen entspricht. Hier gibt es kaum mehr einen Zugang, oder die Möglichkeit in ein Gespräch zu kommen. Die Corona-Proteste dürfen nicht dazu führen, dass Antisemitismus und Radikalismus salonfähig werden. Die Bedenken von vielen Menschen werden hier eindeutig missbraucht und für politische Zwecke instrumentalisiert. Gegen diese Auswüchse müssen wir entschieden vorgehen, fordert Steinmeier in der „Zeit“.
Redaktion poppress.de, NeoMatrix
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