Die Zahl der Verdachtsfälle von Kindesmisshandlungen steigt in der Corona-Krise deutlich an.
Die vom Bundesfamilienministerium eingerichtete Kinderschutzhotline verzeichnet einen starken Anstieg der Beratungsfälle. Die Hotline gibt Ärzten und Betreuern von Kindern die Möglichkeit, verdächtige Fälle zu melden und Hilfe anzufordern. Allein in den ersten zwei Maiwochen gab es über 50 Fälle, in denen wir von medizinischem Personal hinzugezogen wurden, erklärt Oliver Berthold, Teamleiter des Beratungsangebots in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die gemeldeten Fälle umfassen Verletzungen, die zum Teil bei Verkehrsunfällen auftreten. Es handelt sich um schwerste Verletzungen, wie Knochenbrüche und Schütteltraumen, die auf heftigste Gewalteinwirkung schließen lassen. Der Kinderarzt erwartet nach den ersten Lockerungen der Corona-Beschränkungen einen deutlichen Anstieg der gemeldeten Delikte. In den letzten Wochen gab es aufgrund der Ausgangsbeschränkungen und sozialen Kontaktverbote eine gefährliche Gemengelage. Der jetzige Anstieg kommt für Berthold nicht überraschend. Wenn der gesellschaftliche Stress in Notsituationen stark zunimmt, sind immer zuerst die Schwächsten Opfer von Gewaltausbrüchen. Und leider sind die Schwächsten meistens die Kinder, die sich in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis befinden. Die Schließung der Kitas und Schulen hat für viele Kinder die letzten verlässlichen Rückzugsorte genommen. Die Extrembelastungen durch die Isolation, die berufliche Doppelbelastung und das Wegfallen sozialer Interaktion, sind Auslöser solcher Dramen. Die Maßnahmen haben ihre Berechtigung aus epidemiologischer Perspektive, aber die Konsequenzen für viele Familien und Kinder waren ebenso klar absehbar, so der Mediziner in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Es gibt eine gesellschaftliche Verantwortung über die Eindämmung der Pandemie hinaus und Kinder benötigen die sozialen Kontakte essentiell. Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte kritisierte die Fokussierung der Öffentlichkeit und seiner Medizinerkollegen auf die virologische Zielsetzung, der Alles untergeordnet wurde. Die psychosozialen Folgen der Corona-Maßnahmen, hätten auch in die Folgeabschätzungen einbezogen werden müssen. Die Isolation musste die Situation eskalieren lassen. Der Teamleiter der Notfallhotline warnte vor einem verengten Blick auf die derzeitigen Statistiken. Wenn weniger Fälle gemeldet werden, kommt das nur aufgrund der geschlossenen Kitas und Schulen zustande. Dort werden nämlich die meisten Fälle von Kindesmisshandlung aufgedeckt.
Redaktion poppress.de, NeoMatrix
Kommentare