Shawn Fain, Chef der einflussreichen US-Autogewerkschaft UAW, verstärkt den Druck auf den deutschen Autobauer Mercedes.
Fain wirft der Führung von Mercedes vor, im US-Staat Alabama die Gründung einer zulässigen Gewerkschaftsvertretung im dort ansässigen Mercedes-Werk zu behindern. Die UAW legte deshalb Anfang April 2024 in Deutschland Beschwerde wegen eines Verstoßes gegen das hierzulande geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ein. Es war Anfang 2023 in Kraft getreten.
Mercedes geht nach Angaben der UAW in Alabama gegen Gewerkschaftsaktivisten vor. Das verletzte deren Menschenrechte, wie Fain gegenüber dem Wirtschaftsmagazin „Capital“ äußerte. Er frage sich daher, wieso das deutsche Unternehmen an seinem Heimatstandort vollkommen andere Maßstäbe anlege als in Amerika. Seine Gewerkschaft werde in der bevorstehenden Auseinandersetzung alle verfügbaren Möglichkeiten nutzen, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Das sei ein Spiegelbild des Vorgehens von Unternehmen, die schließlich ebenfalls alle Optionen ausschöpfen würden. Doch die Gewerkschaft könne das nicht auf sich beruhen lassen. Der Gewerkschaftschef sagte, dass die gegenwärtige Generation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an einem entscheidenden Punkt stehe. Es gehe darum, Sicherheit für die US-amerikanische Arbeiterklasse zu erringen.
Hinter dem Konflikt steckt auch ein strategisches Ziel der UAW: Sie will die Südstaaten der USA erobern, in denen bisher kaum Arbeitnehmervertretungen Fuß fassen konnten. Schon seit den 1990er Jahren bemüht sich die Gewerkschaft mit großem Engagement darum, diesen Zustand zu beenden – bisher allerdings mit wenig greifbaren Ergebnissen. Shawn Fain scheint nun eine Chance auf einen Durchbruch zu wittern. Ein erster Erfolg gibt ihm bereits recht: Durch einen sechswöchigen Streik konnte die UAW den sogenannten „Big Three“ der US-Autohersteller, zu denen Ford, GM und Stellantis gehören, im letzten Jahr Zugeständnisse abringen. Sie mussten die Löhne und Gehälter um satte 25 % erhöhen, den zuvor gekappten Inflationsausgleich wieder einführen und ihren Beschäftigten das Streikrecht auch bei geplanten Betriebsschließungen einräumen. Diesen Verhandlungserfolg hatten Beobachter im Vorfeld für unmöglich gehalten.
Nun hat die UAW die deutschen Autobauer im Visier. Ihr Chef wirft neben Mercedes auch dem deutschen Wettbewerber Volkswagen vor, die Gründung von Arbeitnehmervertretungen aktiv zu behindern. Das Vorgehen wird in den USA als „union busting“ bezeichnet. Es gehören dazu nicht nur Maßregelungen von Gewerkschaftsaktivisten, sondern auch zwangsweise Betriebsversammlungen, auf denen die Manager Druck ausüben und Zweifel säen. Erst im Februar hatte sich Michael Göbel als US-Chef von Mercedes bei einer Veranstaltung dementsprechend positioniert. Er riet den Arbeitern davon ab, mit ihren Beiträgen eine Organisation (die Gewerkschaft) zu unterstützen, die mit Jahresbudgets von mehreren Millionen US-Dollar operiere, die tatsächliche Verwendung des Geldes aber nicht offenlege. Ein Unternehmenssprecher von Mercedes wies die Kritik an Göbel zurück. Dieser habe nur Fakten geteilt, um seinen Mitarbeiter fundierte Entscheidungen zu ermöglichen.
Redaktion poppress.de, A-055824
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