Bundesgesundheitsministerium sieht den gesellschaftlichen Konsens über die Corona-Maßnahmen durch die uneinheitliche Corona-Strategie der Länder gefährdet.
Das veränderte Infektionsgeschehen in Deutschland und die zunehmende Gefährdungslage bedürfen einer gemeinsamen Abwehrstrategie von Bund und Ländern, zeigt sich Gesundheitsminister Jens Spahn in einem Interview mit der „Bild“ überzeugt. Die bisherigen einheitlichen Regelungen haben viel zu der überwältigenden Zustimmung innerhalb der Bevölkerung beigetragen. Wenn wir jetzt unterschiedliche Wege gehen, setzen wir diesen Konsens aufs Spiel. Und damit auch den Erfolg dessen, was wir uns in den letzten Monaten hart erarbeitet haben, warnt Spahn. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung steht hinter unserer Strategie und erwartet von der Politik klare und praktizierbare Vorgaben.
Der Minister nennt als Beispiel die unterschiedliche Handhabung von Kontrollen und der Verhängung von Bußgeldern. Das Missachten von Corona-Vorschriften ist kein Kavaliersdelikt bei dem man die Augen zudrücken könne. Gerade in den Großstädten bedarf es im Moment der konsequenten Umsetzung und Durchsetzung der Einschränkungen. Die jetzt beschlossenen Reisebeschränkungen für Einwohner aus Risikogebieten müssen vereinheitlicht werden, wenn sie einen Effekt erzielen sollen. Wenn die Bürger den Überblick verlieren, stehen wir vor einem großen Problem. Und wer kann angesichts des Regelwirrwarrs noch sagen, dass er die Unterschiede nachvollziehen kann, fragt Spahn rhetorisch. Das Leben als Politiker beinhaltet dauerndes Reisen, aber derzeit muss ich mich bei jedem Reisantritt völlig neu orientieren und mich jedes Mal über die gerade geltenden Regelungen zur Maskenpflicht oder zu Personenzahlen, die zugelassen sind, erkundigen. Der Erfolg der Abwehrmaßnahmen liegt auch in der Solidarität und Gemeinsamkeit begründet, mit der sie von Bund, Ländern und Kommunen getragen wurden. Zu dieser Linie müssen wir unverzüglich zurückkommen. In der bevorstehenden Herbstreisezeit besteht dringender Handlungsbedarf für eine einheitliche Handhabung von Inlandsreisen.
Vor allem in den Metropolregionen droht das Geschehen außer Kontrolle zu geraten, beklagt der Gesundheitsminister. Das derzeitige Ansteigen der Infektionszahlen ist diffus und nicht mehr auf einige wenige Hotspots konzentriert. Es gab die Vorkommnisse in den Fleischfabriken der Tönnies-Gruppe und lokale Infektionsherde in Pflegeeinrichtungen. Dies ist überschaubar und in den Griff zu bekommen. Aber nun stehen wir kaum nachvollziehbaren Infektionsketten gegenüber.
Einen dringenden Handlungsbedarf sieht der Minister bei privaten Feiern und nächtlichen Treffen und Partys im großstädtischen Umfeld. In Berlin, München oder Frankfurt kommen wir an einer Verschärfung der Vorschriften nicht mehr herum, betont Spahn gegenüber der „Bild“. Aktuell stellen die Zahlen noch keine Bedrohung der Funktionalität des Gesundheitssystems dar. Aber das kann sich schnell ändern. Wenn wir die Dynamik nicht abbremsen können und ein exponentielles Wachstum einsetzt, verlieren wir tatsächlich jede Kontrolle über das Geschehen. Wann dies genau der Fall sein wird, ist nicht exakt zu sagen. Wir müssen jetzt handeln, denn wenn es zu spät ist, hilft alles Lamentieren nicht mehr weiter, warnt der Gesundheitsminister.
Spahn appelliert nochmals an die Solidarität und die Kooperationsbereitschaft der Bürger. Wenn wir etwas aus den letzten Monaten gelernt haben, dann dass wir gemeinsam in der Lage sind, auch solche Herausforderungen zu meistern. Trotz allem bleibe ich optimistisch und vertraue darauf, dass wir aus dieser Pandemie als Gesellschaft gestärkt hervorgehen werden. Der Herbst und der Winter werde noch einmal eine herausfordernde und harte Zeit der Einschränkungen. Mit der notwendigen Disziplin und der Beachtung der Kontaktbeschränkungen haben wir es selbst in der Hand, wie und wann wir zu einem Normalzustand zurückkehren können.
Redaktion poppress.de, NeoMatrix
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