Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat für das Bundesland das umstrittene Beherbergungsverbot vorläufig gekippt.

Am Donnerstag (15. Oktober 2020) gaben die Richter am VGH in Mannheim einem Eilantrag statt, der gegen das Beherbergungsverbot in Baden-Württemberg gerichtet war. Das Verbot untersagte bislang die Beherbergung in Hotels und Pensionen für diejenigen Gäste aus einer deutschen Region, in welcher die Sieben-Tage-Inzidenz überschritten wurde. Sie liegt bislang bei 50 neuen Corona-Fällen auf 100.000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage. Nach dem VGH-Beschluss wurde die Verordnung für Baden-Württemberg mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt. Der Beschluss ist vorläufig.

Die Richter nannten als Begründung für ihren Beschluss, dass ein Beherbergungsverbot ein „unverhälnismäßiger“ Eingriff in die Freizügigkeit sei, die zu den Grundrechten gehört. Es sei daher „voraussichtlich verfassungswidrig“. Weder der Zweck noch die Intensität dieses Eingriffs seien der Situation angemessen, sie stünden auch nicht in angemessener Relation zueinander. Zwar sei die Intention der Landesregierung nachvollziehbar, mit der betreffenden Vorschrift große Gefahren für die körperliche Unversehrtheit und das Leben einer potenziell großen Gruppe von Menschen abzuwehren. Sie habe aber nicht dargelegen können, dass sich diese Gefahren aus einer Beherbergung ergeben. Es sei nicht ersichtlich, dass Übernachtungen von Personen aus inländischen Risikogebieten das Infektionsrisiko auf „besondere Weise“ erhöhen würden, so die Richter vom Mannheimer VGH. Trotz der aktuell steigenden Fallzahlen in Deutschland sei kein besonderes Ausbruchsgeschehen aus einem Beherbergungsbetrieb bekannt. Die gegenwärtigen Treiber der Pandemie seien vielmehr private Feiern in zu großen Gruppen und Aufenthalte in Bereichen, in denen die räumliche Enge eine ausreichende Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln nicht zulasse.

Die VGH-Richter führten weiter aus, dass die Landesregierung verpflichtet sei, „fortlaufend und differenziert“ die Zumutbarkeit konkreter Grundrechtseingriffe zu überprüfen. Dazu gehöre auch das permanente Hinterfragen des Gesamtkonzepts von Beschränkungen und nachfolgenden Lockerungen bei nachlassendem Infektionsgeschehen. Der Verweis auf einen negativen aktuellen Coronatest (maximal 48 Stunden alt) für die Umgehung des Beherbergungsverbots sei nicht ausreichend. Man könne nämlich nach derzeitiger Sachlage nicht hinreichend gewährleisten, dass Reisende solche Tests kurzfristig erlangen könnten. Dies sei schon aus organisatorischer Sicht fraglich. Immerhin gebe es ein sehr enges Zeitfenster zwischen dem Abstrich, dem Transport der Proben in ein Labor, der Übermittlung des Ergebnisses sowie schließlich dem Erscheinen des Gastes in einem Beherbergungsbetrieb. Da sich ein wie gefordert junges Testergebnis nicht garantieren lasse, sei das Beherbergungsverbot ohne Test nicht hinnehmbar, so das Gericht.

Der Beschluss trägt das Aktenzeichen 1 S 3156/20. Er ist zwar vorläufig, jedoch unanfechtbar. Für seine Aufhebung müsste die Landesregierung Klage einreichen und den nachfolgenden Prozess gewinnen.

Redaktion poppress.de, A-055824