Der Einstieg des Staates bei TUI als größter deutscher Reiseveranstalter führt bei den Wissenschaftlern der Wirtschaft zu geteilten Meinungen.
Eine Umfrage der „Welt“, über welche in der Ausgabe am Donnerstag, 3. Dezember 2020, berichtet wird, hat ergeben, dass Urteil sei von „vertretbar“ bis „Fehler“.
Friedrich Heinemann vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hält die erneute Hilfe für TUI als „vertretbar“ und sagte, dass TUI zukunftsfähig sei.
Der Professor und Leiter des Forschungsbereichs öffentliche Finanzwirtschaft und Unternehmensbesteuerung am Mannheimer Institut ist der Meinung, wenn die Impfung der Bevölkerung angelaufen sei, werde sich der Tourismus viel schneller erholen als das Geschäft mit Geschäftsreisen. Im Gegensatz zu einem Business-Trip könne ein Erholungsurlaub nicht durch eine Videokonferenz ersetzt werden. Aus heutiger Sicht werde das Geschäftsfeld von TUI insofern kein Opfer des „Post-Corona-Strukturwandel“ werden, sodass es aus der Perspektive des Staates sinnvoll sei, die Unternehmung durch die „Durststrecke“ zu bringen.
Der Leiter des Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie am Münchner ifo-Institut Niklas Potrafke sieht den Einstieg des Staats nicht prinzipiell als falsch an, jedoch hat er von den möglichen Folgen gewarnt. Zugegebenermaßen führe die Covid-19-Krise zu einem schmerzhaften Wandel in der Struktur, jedoch dürfe die vorgesehene Beteiligung des Staats bei TUI nicht dazu führen, den trotzdem notwendigen Strukturwandel zu behindern, erklärte der Professor für Wirtschaft.
Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrats und Professorin aus Erlangen, hat ähnlich argumentiert und sagte, dass die Tourismusbranche durch Covid-19 hart getroffen wurde. Die Situation werde sich bezüglich Perspektive mit der Verfügbarkeit der Impfungen verbessern, sodass es zielführend sein könne, Strukturen von Unternehmungen, welche funktionieren, zu erhalten. Jedoch hat Veronika Grimm vor der Möglichkeit gewarnt, dass sich, durch bleibende Änderungen der Menschen im Verhalten, die Ertragslage und die Geschäftsmodelle in der Tourismusbranche dauerhaft ändern würde. Die notwendigen Reaktionen auf einen solchen Wandel der Struktur dürften nicht durch Hilfen und Beteiligungen verhindert werden. Des Weiteren könne es politisch, ohne klare Regeln, bei der Findung des richtigen Zeitpunkts für einen Ausstieg schwierig werden.
Jan Schnellenbach hat demgegenüber bei der Beteiligung von einem „Fehler“ gesprochen und sagte, dass der Staat die Existenz von betroffenen Unternehmungen wie TUI in dieser besonderen Krise absichern soll, könne begründet werden, sollte jedoch nicht mit einem Einstieg des Staats geschehen, so der Professor von der TU Cottbus. Dass ein Ausstieg aus solchen „Abenteuern“ oftmals viel zu weit hinausgeschoben werde, würde das Beispiel von der Commerzbank zeigen und zudem würden sich Zielkonflikte öffnen: Vom Staat werde erwartet, dass dieser als Schiedsrichter bei der Regulierung der Märkte agiere, wenn dieser jedoch gleichzeitig der Eigentümer sei, könne er dies nicht unparteiisch glaubwürdig tun. Aus diesem Grund würde auch das Argument nicht ziehen, dass der Staat Eigentümer werden soll, weil dieser nach der Krise mit dem Verkauf der Anteile ein gutes Geschäft für die Steuerzahlenden machen könnte, darum würde es nicht gehen. Der Staat sei kein Anlagefonds, wenn dieser die Anteile an privaten Unternehmungen erwerbe, würde damit die Wahrnehmung der ordnungspolitischen Kernaufgaben gefährdet.
Redaktion poppress.de, Ever True Smile
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