Auch nach ihrer Auseinandersetzung mit der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken wollen Gesine Schwan und Wolfgang Thierse weiter über die Problematik der Identitätspolitik streiten.
Schwan erklärte gegenüber dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, sie selbst identifiziere sich nur teilweise mit einer Sache und teilweise mit einer anderen. Die „kollektiven Identitäten“ seien für sie „die Pest“.
Sie führte aus, sie identifiziere sich nicht einmal völlig mit ihrem Mann oder mit ihrer Partei, der SPD, und dies zu tun, sei auch ein Fehler. „Es ist falsch, sich so symbiotisch zu verstehen“, so Schwan weiter. Es gehe schließlich nicht nur um die Sexualität. Sie selbst habe auch noch weitere Interessen. Die Sexualität sei auch durch den Menschen geprägt. Das sei „keine Maschinerie“, sagte Schwan.
Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken und der stellvertretende Vorsitzende Kevin Kühnert hatten sich in einem Schreiben an die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft SPDqueer „beschämt“ über Äußerungen einiger SPD-Mitglieder gezeigt, denen sie vorwarfen, ein „rückwärtsgewandtes Bild“ der Partei zu entwerfen. Schwan, die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommmission ist, sagte, sie wolle den Beiden klarmachen, dass dies ein Fehler gewesen sei. „So geht es nicht“, betonte Schwan im „Spiegel“.
Auch Wolfgang Thierse erneuerte im „Spiegel“ seine Kritik an der gegenwärtigen Identitätspolitik. Der in Breslau geborene Politiker sagte, als linker Ostdeutscher könne auch er seine Lebensgeschichte als eine Abfolge von Minderheitserfahrungen darstellen. Man müsse lernen, mit solchen Erfahrungen umzugehen, anstatt nur zu klagen und zu leiden. Ansonsten werde man „klein und hässlich“ und bringe nichts zustande.
Weiter kritisierte er, mittels einer „Sprachreinigung“ werde Minderheiten nicht geholfen. Stattdessen spreche er sich für konkretes Handeln, Bildung und Aufklärungsarbeit aus. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, egal ob männlich oder weiblich, schwarz oder weiß“, das sei ein wichtigeres Thema als die Sprache.
Der ehemalige Bundestagspräsident beklagte, in der Sprache nehme er eine Spaltung wahr, die ihm gefährlich erscheine. Einerseits gebe es die gendergerechte, für Minderheiten sensible Sprache, die immer strenger werde. Andererseits gebe es „das `dumme Volk`, das weiter so redet wie bisher.“
Thierse fuhr fort, er erhalte in der letzten Zeit öfter Beispiele für sprachpolitische Verordnungen, die an Universitäten gültig seien und in denen geregelt werde, was gesagt und geschrieben werden dürfe. Er stellte fest, die Lage sei „noch schlimmer“, als er es bisher bemerkt habe.
Redaktion poppress.de, A-1010413
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