Das UNHCR ist nicht mehr generell gegen die Auslagerung von Asylverfahren. Sie können in sicheren Drittstaaten durchgeführt werden, so ein Sprecher.
Ein Sprecher des UNHCR Deutschland – Flüchtlingshilfswerk des „United Nations High Commissioner for Refugees“ – sagte gegenüber der WELT, dass man die Auslagerung von Asylverfahren in vorrangig nordafrikanische Drittstaaten nicht mehr generell ablehne, wenn dort die faire Verantwortungsteilung und vor allem menschenrechtliche Standards gewahrt bleiben. Dieser Punkt war beim UNHCR intern lange umstritten. Ursprünglich vertrat die dem UN-Hochkommissar für Flüchtlinge angegliederte Organisation den Standpunkt, dass die westeuropäischen Zielländer der Fluchtbewegung aus Afrika und dem Nahen Osten nicht einfach ihre Verantwortung in Drittstaaten verlagern können. Inzwischen hat sich unter dem Migrationsdruck der letzten Jahre offenbar ein Meinungsumschwung in der Organisation durchgesetzt. Mehrheitlich bekräftigen in jüngster Zeit ihre Vertreter*innen, dass Überstellungen und Rückführungen in sichere Drittstaaten angemessen sein können, wenn dort bestimmte Standards garantiert werden.
Demnach müssten die Länder, in die Flüchtlinge zurückgeführt werden, deren Rechte nach der Genfer Flüchtlingskonvention ebenso wie ihre eigenen menschenrechtlichen Verpflichtungen vollständig respektieren. Als zweite Bedingung für die Akzeptanz solcher Rückführungen innerhalb des UNHCR nannte der Sprecher den Aspekt, dass solche Vereinbarungen dazu beitragen, die Verantwortung für die Aufnahme, Erstversorgung und Integration von Flüchtlingen fair unter allen Staaten zu teilen. Allerdings dürfe das Flüchtlingsvölkerrecht nicht außer Kraft gesetzt werden. Nach diesem trägt immer der erste Ankunftsstaat eines Flüchtlings die primäre Verantwortung. Er muss den Asylantrag prüfen und dem Flüchtling internationalen Schutz gewähren. Es handelt sich stets um denjenigen Staat, in welchem Asylsuchende über das Land, die See oder die Luft ankommen. Damit sind die Staaten an den Außengrenzen der EU besonders gefordert, was diese schon länger beklagen.
Der Sprecher sagte weiter, dass die genannte Primärverpflichtung weder durch eine Überstellung von Asylbewerbern noch durch die extraterritoriale Bearbeitung ihrer Anträge berührt werde. Die europäischen und afrikanischen Staaten könnten zwar eine Zusammenarbeit im Asylbereich inklusive Überstellungen vereinbaren. Doch die Maßnahmen dürften niemals den Schutz der Flüchtlinge einschränken, sondern müsste ihn vielmehr sicherstellen und grundsätzlich erweitern.
In einem Statement von Anfang 2023 hatte sich das UNHCR noch anders positioniert. Es verwies auf die Genfer Flüchtlingskonvention, deren Zusatzprotokoll von 1967 den Status von Flüchtlingen im Rahmen internationaler Abkommen präzisiert. Allerdings definieren weder die Flüchtlingskonvention grundsätzlich noch ihr 1967er Zusatzprotokoll genauer die Art eines Asylverfahrens, also desjenigen Verfahrens, das überhaupt die Flüchtlingseigenschaft eines Menschen feststellt. Laut Genfer Flüchtlingskonvention bleiben einschlägige Regelungen demnach den Zielstaaten von Flüchtlingen überlassen. Diese gehen im weltweiten Vergleich sehr unterschiedlich vor. Es gibt in einzelnen Staaten gesetzlich verankerte und gut etablierte Verfahren, andere Staaten setzen auf Ad-hoc-Verfahren je nach Situation. Das UNHCR stellte dabei immer wieder fest, dass bestimmte Grundvoraussetzungen nicht erfüllt wurden. Das deutsche Verfahren, das auf dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem der EU basiert, gilt als ausgereift. Bei aller Kritik aus Deutschland am BAMF bescheinigt das UNHCR dem Bundesamt eine insgesamt faire und effiziente Arbeitsweise. Kritik äußerte die UN-Organisation hingegen an der Auslagerung von Asylverfahren durch Großbritannien. Das Land hat eine diesbezügliche Vereinbarung mit Ruanda abgeschlossen. Das UNHCR befürchtet, dass Mindeststandards damit ausgehebelt werden.
Da das UNHCR die neuen Herausforderungen durch die jüngsten Fluchtbewegungen versteht, stimmt es nun grundsätzlich der Auslagerung der Asylverfahren zu. Die Menschenrechtsstandards dürften dabei aber niemals unterlaufen werden, so der Sprecher.
Redaktion poppress.de, A-055824
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