Ehemaliger Verfassungsrichter in Nordrhein-Westfalen beklagt Verstöße gegen die Verfassung in der Neufassung des Epidemieschutzgesetzes.
Der ehemalige Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichts, Michael Bertrams, kritisiert die derzeitigen Gesetzesinitiativen der Landesregierung auf dem gebiet der Gesundheitsfürsorge auf Heftigste. Das Epidemieschutzgesetz, dessen erste Lesung am Mittwoch im Landtag von Nordrhein-Westfalen stattfindet, widerspricht in großen Teilen dem Grundgesetz und darf in dieser Form nicht den Landtag passieren, beklagt der Jurist im „Kölner Stadtanzeiger“. Der Umfang des Eingriffs in die garantierten Grundrechte der Bürger ist mit dem Instrument der Gesundheitsfürsorge nicht begründbar. Der Gesetzentwurf nimmt eine Ausnahmesituation zum Anlass, dauerhafte Regelungen und Einschränkungen zu installieren. Ein derart weitgehender Eingriff darf in der aktuellen Notlage nicht kurzfristig, ohne umfassende Diskussion durchgesetzt werden, fordert der Verfassungsrichter eindringlich. Der Zeitdruck unter dem die jetzigen Regelungen beschlossen werden sollen, ist mit der Corona-Pandemie und dem derzeitigen Ausnahmezustand, nicht zu rechtfertigen. Der Jurist bemängelt die Mechanismen der Ausrufung des Epidemiefalls im Landeskontext, die zu einer Ausschaltung der Legislative führen. Auch im Notfall muss die Entscheidungshoheit beim Parlament liegen, dazu kann es keine Alternative geben. Auch die internen Regelungen des Gesetzes widersprechen der Verfassung in erheblicher und grundsätzlicher Weise, betont Bertram. Die Zwangsmechanismen zur Rekrutierung von Personal im Gesundheitswesen, von Pflegepersonal bis zu Ärzten, und die Eingriffe in die Rechte der Krankenhausträger sind höchst fragwürdig. Die zwangsweise Schaffung von Intensivkapazitäten und die Eingriffe in die Behandlungshoheit der Krankenhäuser, sind nicht zu akzeptieren. Den Krankenhäusern wird unter anderem die Aussetzung aller nicht lebensnotwendigen Operationen untersagt. Um derartige Maßnahmen zu begründen, bedarf es einer exakten Formulierung des Gültigkeitsbereichs. Diese gibt es im Entwurf der Landesregierung nicht. Auch im Bereich der gesetzlichen Zuständigkeiten, bleibt der Entwurf unbestimmt und unpräzise. Dies lässt weite Spielräume für willkürliche Auslegungen. Allein schon, was mit dem Begriff einer landesweiten Epidemienotlage gemeint ist, bleibt weitgehend offen. Das Gesetz als Ganzes ist nicht akzeptabel, besteht der Ex-Verfassungsrichter in Nordrhein-Westfalen gegenüber dem „Kölner Stadtanzeiger“. In seiner aktuellen Fassung darf das Gesetz nicht im Landtag verabschiedet werden. Zuvor müssen die Fachausschüsse des Landtages eingeschaltet werden und ein normaler Prozess der Anhörung von Experten und Fachleuten sichergestellt werden, mahnt Bertram.
Redaktion poppress.de, NeoMatrix
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