Der Arzt und Sozialwissenschaftler Karl-Heinz Wehkamp von der Universität Bremen wirft der Deutschen Politik vor, auf die Corona-Krise unzureichend vorbereitet gewesen zu sein.

Wer die Geschichte der Pandemien des 20. Jahrhunderts und auch der Zeit davor kenne, der habe gewußt, dass die nächste Pandemie „rechnerisch längst überfällig“ gewesen sei, stellte Wehkamp im Nachrichtenportal „Watson“ fest. Der Deutsche Bundestag habe bereits im Jahr 2012 eine Risikoanalyse erstellen lassen, deren Resultat sehr genau die heutige Situation vorausgesehen habe.

Allerdings hätten weder die politischen noch die wirtschaftlichen Entscheidungsträger ernsthafte Vorbereitungen unternommen, kritisierte Wehkamp. Stattdessen seien das öffentliche Gesundheitssystem, die Krankenhäuser und auch die Pflege „wissentlich“ in die Krise gesteuert worden. Heutzutage würden wesentliche Bereiche des Gesundheitssystems nicht mehr hauptsächlich von medizinischen, sondern von ökonomischen Interessen gelenkt. Jahrelang sei es vor allem um die Kostenreduzierung von Staat und Kassen sowie um die Förderung des Wachstums der Gesundheitswirtschaft gegangen. In der Folge seien „die Mitarbeiter in Pflege und Medizin… über die Maße belastet“ und „die Arbeit ungemein verdichtet“ worden. Herdurch seien Qualitätsziele nicht erreicht worden, und die Risiken für die Patienten und das Personal seien angestiegen, erläuterte Wehkamp. Das System sei „kaputtgespart“ und auf „falsche Anreize“ ausgerichtet worden. Wehlkamp verlangt Anerkennung für das Pflegepersonal, um trotz der gegenwärtigen Umstände dessen Motivation aufrechtzuerhalten. Diese Anerkennung müsse dadurch erfolgen, dass „man die Stimme der Pflege hören will und auch wirklich hört“. Die Zahlung einer einmaligen Prämie, wie sie von der Bundesregierung beschlossen wurde, sei hierzu nicht ausreichen. Wehkamp sagte, er hoffe, dass die aktuelle Krise „uns bewusstmacht, dass die Ökonomisierung der Krankenhäuser“ gescheitert sei, und dass „Kliniken nicht gewinnorientiert arbeiten sollten“. Auch dürfe nicht an den medizinischen Fachkräften gespart werden, „die die Qualität der gesundheitlichen Versorgung sichern, so Wehkamp.

Prof. Dr. rer. pol. Dr. med. Karl-Heinz Wehkamp wurde 1948 geboren. Er studierte Soziologie und Philosophie in Frankfurt/Main und Bremen sowie anschließend Humanmedizin in Würzburg und Lübeck. Er ist Facharzt für Gynäkologie

Redaktion poppress.de, A-1010413