Das erst in der letzten Woche vom Bundestag beschlossene neue Wahlrecht könnte bald zum Fall für das Bundesverfassungsgericht werden.
Britta Haßelmann, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen im Deutschen Bundestag, erklärte der „Süddeutschen Zeitung“ für ihre am Mittwoch erscheinende Ausgabe, derzeit prüfe ihre Fraktion bereits eine solche Klage. Ein derartiger Schritt müsse aber sorgfältig abgewogen werden.
Sicher könne man aber bereits jetzt feststellen, „dass das neue Wahlrecht grottenschlecht“ sei, sagte Haßelmann weiter. Es erfülle nicht einmal seinen eigentlichen Zweck, also den, zu einer Verkleinerung des Bundestages zu führen. „Der nächste Bundestag wird vermutlich sogar noch größer als der aktuelle“, so die Grünen-Poitikerin. Auch Marco Buschmann, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der FDP im Bundestag, antwortete der „Süddeutschen Zeitung“ auf ihre Nachfrage, ob seine Fraktion eine Klage anstrebe: „Wir prüfen derzeit intern sorgfältig, wie wir in der Sache vorgehen.“ Die Fraktion der Linken hatte bereits zuvor bekannt gegeben, sie wolle klagen. Gemeinsam kämen die Grünen, die FDP und die Linke auf die 25 Prozent der Stimmen der Bundestagsabgeordneten, die für eine Normenkontrollklage in Karlsruhe erforderlich sind.
Britta Haßelmann erläuterte, bei einer möglichen Klage gegen das neue Wahlrecht vor dem Verfassungsgericht könne es in erster Linie um zwei kritische Punkte gehen. Erstens sehe das neue Gesetz vor, dass drei Überhangmandate in Zukunft nicht mehr durch Ausgleichssitze für die anderen Parteien kompensiert würden. Auf der Basis aktueller Umfragewerte würde dies „einseitig CDU und CSU“ nutzen. Dadurch komme es dann zu einer „Verzerrung des Wählerwillens“, denn die Zusammensetzung des Bundestages entspreche dann nicht mehr dem Zweitstimmenverhältnis der Parteien. Dies stelle einen „Bruch mit dem bisherigen System“ dar, so die Grünen-Abgeordnete.
Zweitens beurteilt Haßelmann das gerade mit der Mehrheit der Abgeordneten der Regierungskoalition verabschiedete geänderte Sitzkontingentverfahren als in verfassungsrechtlicher Hinsicht problematisch. Die Unionsparteien und die SPD wollen, dass Überhangmandate, die eine Partei in einem Bundesland erlangt, teilweise mit Listenmandaten der gleichen Partei in anderen Bundesländern verrechnet werden. Zwar werde hierdurch die Gesamtzahl der Abgeordneten tatsächlich gesenkt. Haßelmann betonte aber, hier stelle sich „die Frage, ob dadurch die Erfolgswertgleichheit der Stimmen in den Bundesländern“ berührt werde. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn zum Beispiel die Hamburger CDU auf Listenplätze verzichten müsse, um dadurch die Überhangmandate der CDU Baden-Württemberg auszugleichen.
Redaktion poppress.de, A-1010413
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