Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Syrien warnt die SPD vor zu schnellen innenpolitischen Handlungen infolge des Umsturzes.

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth warnte im Hinblick auf verschiedene Äußerungen von Unionspolitikern vor Populismus in der Debattenkultur. Er befürchte, die Meinung, dass ab sofort alle Syrier wieder zurück in ihr Land reisen sollten, könne zum allgemeinen Tenor werden.

Gegenüber dem Spiegel brachte Michael Roth seine Befürchtungen zum Ausdruck, dass nicht nur AfD und BSW, sondern auch einige Unionspolitiker im Wahlkampf mit der Meinung Stimmung machen könnten, dass Syrier nun das Land verlassen sollten. Roth, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, bereitet dieses Thema Sorge.

Natürlich wäre gegen eine Rückkehr von Menschen, die sich hier bei uns nie richtig heimisch fühlten, nichts einzuwenden, wenn in Syrien Frieden herrschen sollte, meinte Roth.

Aber die Frage, was die islamistisch-fundamentalistischen Gruppen nun tun werden, sei noch offen und die Mehrheit der in Deutschland lebenden Syrer habe sich gut in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integriert. Brachte Michael Roth zum Ausdruck. Ohne pessimistisch sein zu wollen, müsse man die Entwicklungen in Syrien erst einmal abwarten.

Optimistisch zeigte sich hingegen Jürgen Hardt, Außenpolitiker der CDU, in Bezug auf die politische Zukunft Syriens. Nach seinen Informationen stecken hinter dem Umsturz nicht maßgeblich radikalisierte Islamisten, sondern die Aktionisten sind Kurden und Oppositionelle. Das mache ihm Hoffnung, ließ Hardt gegenüber dem Spiegel verlauten, dass es den neuen Machthabern gelingt, einen gut funktionierenden Staat zu organisieren. Im Zentrum müsse stehen, dass man von der Übergangsregierung fordere, dass sie es unterlasse mit Assad-Unterstützern abzurechnen.

Es wäre noch zu früh, um einschätzen zu können, in welche Richtung die Dinge in Syrien laufen, drückte der CDU-Politiker aus. Doch es würde erwartet, dass in Deutschland lebende syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren, sobald dort die Lage stabil ist.

Unterdessen forderte der Migrationsrechtsexperte Daniel Thym von der Universität Konstanz das vorläufige Zurückstellen aller schwebenden Asylverfahren, bei denen es um Syrer geht, als Konsequenz der Nachrichten über den politischen Umsturz in ihrem Herkunftsland. Im Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) sollten sämtliche aktuellen Asylverfahren, die Menschen aus Syrien betreffen, vorläufig zurückgestellt werden. Von einer weiteren Bearbeitung der Anträge sei abzusehen, äußerte Thym gegenüber der „Welt“. Auf Grund der volatilen gegenwärtigen Situation wäre es jetzt falsch, Asylbewerbern einen Schutzstatus zu gewähren, der die Legalität ihres Aufenthalts sichere, die jetzt noch neu einreisen.

Die Lage in Syrien müsse sich erst klären, so Thym. Bis es so weit ist, sollte sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf die vielen anderen zu bearbeitenden Asylverfahren konzentrieren. Thym drückte aus, dass man erwarten könne, dass die Bundesregierung gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das vorläufige Aussetzen und Pausieren der Asylverfahren für Syrer öffentlich mache und in verschiedenen Sprachen, auf unterschiedlichen Kanälen kommuniziere. Damit würde man ein unmissverständliches Signal setzen. Schließlich hätten die deutsche Bundesregierung und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den Sommermonaten des Jahres 2015 auch aktiv die damalige Offenheit gegenüber einreisenden Syrern, die Schutz suchen und bleiben möchten, kommuniziert.

In seinen weiteren Ausführungen wies Thym nochmals darauf hin, dass der Ausgang der aktuellen Entwicklung der Lage in Syrien noch völlig unklar sei. Man müsse sich fragen, ob es weitere Auseinandersetzungen zwischen nur lose verbundenen Gruppen gibt, die unterschiedliche Ziele haben könnten. Kommt es zu einer neuen Regierungsbildung, oder bricht der syrische Staat als ein `failed state` zusammen? Eine weitere offene Frage wäre: In welche Richtung würden sich die neuen Machthaber mit einer halbwegs funktionierenden Regierung bewegen? Immerhin wäre diese eine islamistische. Könnten von ihr neue oder weitere Gefahren ausgehen?

Die Grünen haben unterdessen auf den Sturz von Assad mit der Forderung einer harten Strafverfolgung für dessen Anhänger reagiert. Sie verlangen von der internationalen Gemeinschaft, dass sie dafür sorgt, dass sämtliche Schergen des gestürzten Regimes für ihre Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden und mit voller Härte zur Rechenschaft gezogen werden. Das drückte Agnieszka Brugger, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, gegenüber der „Welt“ aus.

Zugleich wies sie darauf hin, dass es „besonders bitter“ wäre, wenn nach dem Sturz von Assad nun andere an die Macht kämen, die wie ihr Vorgänger auf Grausamkeit, Unterdrückung und Radikalität setzen. Jetzt käme es darauf an, dass alle Konfliktparteien ihre Pflicht erkennen, in der gegenwärtigen unübersichtlichen Lage den Prozess der Bildung des neuen Staates so zu gestalten, dass die Rechte der Menschen und eben auch die Rechte der zahlreichen Minderheiten gewährleistet sind. Zudem sei es wichtig, dass der Prozess inklusiv und friedlich ablaufe.

Aus der Sicht Bruggers wäre dafür die aus dem Jahr 2015 stammende UN-Sicherheitsrats-Resolution 2254 ein idealer Ausgangspunkt. Die Resolution sieht Folgendes vor: Es wird ein sofortiger landesweiter Waffenstillstand umgesetzt und aufrechterhalten. Es finden faire und freie Wahlen statt. Alle unrechtmäßig Inhaftierten werden freigelassen. Willkürliche Festnahmen finden nicht mehr statt. Flüchtlinge und Binnenvertriebene kehren freiwillig zurück.

Brugger teilte mit, dass sich Deutschland mit Nachdruck dafür einsetzen wird, weshalb Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin, sofort begonnen hat, sich mit Deutschlands EU-Partnern, der Quad, den Vereinten Nationen und der Region intensiv auszutauschen. Bei Quad handelt es sich um das Kürzel für den Quadrilateralen Sicherheitsdialog der USA, Australiens, Indiens und Japans.

Marcus Faber, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses und Mitglied der FDP, bezeichnete den Sturz Assads als Hoffnungsschimmer für das geschundene Land, der eventuell die Perspektive birgt, dass Syrer in ihr Heimatland zurückkehren. Es bestehe „eine echte Hoffnung für die Diaspora“.

Dennoch wäre erneut mit Flüchtlingsströmen zu rechnen, sollte sich die Lage in Syrien wieder verschärfen. Darauf müssten Deutschland und die EU gefasst sein. Ein ähnliches Chaos wie 2015 unter Merkel dürfe nicht mehr entstehen. Bezüglich der Miliz Hajat Tahrir al-Scham brachte Faber zum Ausdruck, dass es in letzter Zeit zu einer Deradikalisierung des Bündnisses gekommen sei. Er hoffe auf eine Fortsetzung dieses Prozesses.

Redaktion poppress.de, Fennia