Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin rät angesichts vieler Hausarzt-Corona-Atteste für Lehrer zur Attest-Ausstellung durch Betriebsärzte.
Der Medizinprofessor Dr. Hans-Iko Huppertz, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und zugleich Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder und Jugendmedizin (DAKJ) empfiehlt angesichts der zahlreichen Hausarzt-Atteste, mit denen Lehrer derzeit wegen der Corona-Epidemie von der Präsenzunterricht-Pflicht befreit werden, die Ausstellung der erforderlichen Atteste in Zukunft durch Betriebsärzte vornehmen zu lassen. Huppertz erwartet sich durch die Einschaltung von Betriebsärzten eine realitätsbezogene Bewertung der „Gefahr durch die Pädagogen“ sowie zusätzliche Impulse für eine Wiedereröffnung von Schulen, erklärte der Bremer Mediziner gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Bei zahlreichen Pädagogen, so Huppertz, bestünden tatsächlich Ängste, die aber oft nicht begründet seien. Solche Ängste müssten sehr wohl ernst genommen, aber auch richtig „adressiert“ werden. Er empfinde starke Sympathie für Lehrer, meint der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, denn sie seien schließlich die „Freunde der Kinder“. Nach den in anderen Ländern gemachten Erfahrungen würden sich Pädagogen, die die allgemeinen Hygiene-Empfehlungen einhalten, jedoch nicht öfter infizieren als bei sonstigen Aufenthalten im öffentlichen Raum – beispielsweise beim Einkaufen oder beim Besuch eines Restaurants.
Die Freistellung von der Verpflichtung zum Präsenzunterricht sollte nach Einschätzung von Huppertz vorzugsweise durch Betriebsärzte erfolgen, die sich mit den am Arbeitsplatz von Lehrern vorhandenen Bedingungen auskennen. Ein niedergelassener Arzt könnte sich leicht und eher als ein Betriebsarzt der „emotionalen Zwangssituation“ ausgesetzt sehen, ausschließlich dem Wunsch eines Patienten auf Attest-Ausstellung zu folgen, ohne dabei die tatsächliche Gefahrenlage hinreichend zu berücksichtigen.
Der Medizinprofessor verwies außerdem auf die Situation in anderen Berufsfeldern wie Einzelhandel, außerschulisches Erziehungswesen und Medizin, in denen keine so großzügige Freistellungsregeln wie derzeit bei Lehrern praktiziert würden.
In einigen Regionen Deutschlands wurde von Ärzten in der Vergangenheit keinerlei ärztliche Bescheinigung verlangt, um im Hinblick auf die Corona-Pandemie vom Präsenzunterricht freigestellt zu werden. Für eine Freistellung von Lehrern wurde lediglich vorausgesetzt, dass sich ein Pädagoge in einer durch das Robert-Koch-Institut (RKI) festgelegten Risikogruppe befindet.
Nachdem das Robert-Koch-Institut nunmehr jedoch das Erfordernis einer individuellen Prüfung hervorhebt, ist zur Freistellung vom Präsenzunterricht in den meisten Bundesländern die Vorlage eines Attests erforderlich. Selbst aber in einem Bundesland Niedersachen, wo seit mehreren Wochen eine Pflicht zur Attest-Vorlage gilt, sind nach Auskunft des Kultusministeriums etwa 20 Prozent aller Lehrer vom Präsenzunterricht befreit worden, weil sich die Pädagogen in gesundheitlicher Hinsicht als stark gefährdet ansehen. In anderen Bundesländern sind sogar 30 Prozent oder sogar ein noch höherer Lehrer-Anteil vom Präsenzunterricht freigestellt. Die freigestellten Lehrkräfte sind dann im Rahmen gegebener Möglichkeiten vom Home-Office aus tätig, was die Wiedereröffnung von Schulen in verschiedenen Bundesländern deutlich erschwert und zu signifikanten zeitlichen Verzögerungen des Neustarts führt.
Die 1988 gegründete Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin mit Sitz in Berlin fungiert als Dachorganisation sämtlicher berufsständischer und wissenschaftlicher Institutionen der Kinder- und Jugendmedizin in Deutschland. In der DAKJ sind unter anderem der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie vertreten.
Redaktion poppress.de, A. Camus
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