Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, plädiert für einen kritischen Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen.

In der Corona-Krise gab es einen weitgehenden Konsens unter den Virologen, dass wir die Ausbreitung des Virus mit allen Mittlen unterbinden müssten. Die Politik hat sich an diese Vorgaben gehalten und weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen gezogen, betont der SPD-Politiker gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Beim Klimawandel haben wir eine parallele Situation. Aber nach dem Lock-Down müssen wir den Schluss ziehen, dass eine weitblickende und zukunftsfähige Politik sich nicht allein auf die Aussagen von Wissenschaftlern gründen kann. Politik muss mehr sein, als nur die Umsetzung von wissenschaftlichen Empfehlungen.
Es gibt auch innerhalb der Wissenschaft andere Disziplinen, die sich gegen eine Priorisierung der Klimaforschung aussprechen. Das sollten wir zur Kenntnis nehmen, warnt der niedersächsische Ministerpräsident. Die Politik muss eine Risikoabwägung und eine Folgeabschätzung vornehmen, bevor wir extreme Maßnahmen ergreifen. Die Klimapolitik wird, ebenso wie der Corona-Lock-Down, zu tiefen Eingriffen in die Gesellschaft und das Leben des Einzelnen führen. Auch der Umbau der Wirtschaft wird entsprechende Konsequenzen haben. Es gibt unterschiedliche wissenschaftliche Strategien und unterschiedliche politische Ansätze die Erkenntnisse umzusetzen. Eine einseitige Zielsetzung kann nur schaden, und es ist unsere Aufgabe den Umbau mit möglichst geringen Verwerfungen zu realisieren. Die Wissenschaft liefert eine notwendige Grundlage für politisch Entscheidungen. Allerdings sollten uns die letzten Monate lehren, dass es keinen alleinig gültigen Weg gibt. Es ist ein schwieriger und schmerzhafter Lernprozess. Dies gilt für alle Beteiligten, ob Politiker, Wissenschaftler oder die Bürger unseres Landes. Wir müssen kontinuierlich neue Daten berücksichtigen und neue Perspektiven entwickeln, schränkt Weil in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ ein.
Der Prozess der Lockerungen der Corona-Beschränkungen ist ein solcher Lernprozess, der von Jedem ein großes Maß an Eigenverantwortung abverlangt. Die individuelle Freiheit muss zur gesellschaftlichen Verantwortung rückgekoppelt sein. Wir werden lernen müssen mit Risiken zu leben, ohne unsere Freiheit oder das Leben anderer zu gefährden. Aber das Risiko ist ein Bestandteil unseres Lebens, mahnt der SPD-Politiker.

Redaktion poppress.de, NeoMatrix