Der Konfliktforscher Andreas Zick (Bielefeld) warnt vor den für den heutigen Samstag geplanten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Leipzig vor einer deutlichen Radikalisierung der Szene. Auch Gewalttaten seien möglich.

Zick sagte gegenüber dem RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland) für dessen Samstagausgaben, dass die sich die Szene in den Social Networks hoch radikalisiert habe. Dort würden aggressive Tendenzen und Gewaltbilder zunehmen. Es gebe klare Feindbilder in den geschlossenen Netzwerken. Verschiedene Gruppen würden sich gegenwärtig mit immer radikaleren Statements überbieten, um die Meinungsführerschaft zu übernehmen. Zick schätzt ein, dass die Szene aggressiver und radikaler wird. Hasstaten seien wahrscheinlich, weil einzelne Gruppen auch lokale Aktionen planten. Für die Querdenker schätzt es der Konfliktforscher als problematisch ein, die nötige Distanz zu Gewaltaufrufen zu halten. Diese hänge nicht allein von Lippenbekenntnissen ab. Die Querdenker würden derzeit selbst unter Druck stehen: Sie seien mehr oder weniger gezwungen, selbst zu handeln und nicht nur zu demonstrieren und zu reden.

Aus der Sicht des Wissenschaftlers fördert die Pandemie stark die Radikalisierung großer Gruppen. Als besonders gefährlich schätzt er die Anhänger von QAnon – einem Verschwörungsmythos – ein. Zick weist darauf hin, dass der Glaube an diese Verschwörung jede Anerkennung der staatlichen Demokratie mitsamt ihren Regeln untermininiert. Die betreffenden Personen würden in der festen Überzeugung agieren, Widerstand gegen vermeintlich teuflische Kräfte zu leisten. Hierzu gebe es Studien schon aus Vor-Corona-Zeiten. Diese hätten deutlich aufgezeigt, dass Menschen mit dem Hang zu Verschwörungsmythen gewaltbereiter und auch gewaltbilligender seien als Personen, die für solche Mythen unempfänglich sind.

Kritik am behördlichen Monitoring der Szene kommt von den Linken. Deren Bundestagsabgeordnete Martina Renner übt scharfe Kritik an der Polizeistatistik. Diese würde politisch motivierte Straftaten, die einen Bezug zu den Corona-Maßnahmen hätten, nicht gesondert erfassen. Deren Einordnung erfolge allein unter „allgemeiner politisch motivierter Kriminalität“. Dies hatte das Bundesinnenministerium der Abgeordneten auf ihre diesbezügliche Anfrage mitgeteilt. Dem RND sagte daraufhin die Innenpolitikerin, dass es sie nicht überzeuge, wenn sich die Regierung hinter Definitionsproblemen verstecke. Es gehe immerhin darum, die konkrete Gefahr von politischen Gewalttaten exakt zu analysieren, die von Menschen des Coronaleugner-Spektrums begangen werden könnten. Nur so ließen sich diese verhindern oder verfolgen. Als Beispiel nannte Renner den Brandanschlag auf das RKI. Dieser sei ein Beispiel dafür, wie die Angehörigen solcher Gruppen ihre Terror- und Tötungsfantasien auch faktisch umsetzen würden.

Redaktion poppress.de, A-055824